5G und die Physik

Was kann 5G Wireless wirklich leisten und was ist Marketing Hype. Ein paar Fakten.

Tobias Oetiker

--

Anfang Februar hat das BAKOM die ersten schweizer 5G-Frequenzen versteigert. Total haben die drei Schweizer Telekom Firmen 380 Millionen Franken investiert. Ist das der Beginn eines gloriosen neuen Zeitalters in der mobilen Kommunikation?

Aktuell schaltet die Swisscom Imagewerbung für das 5G Netz im grossen Stil. Das Bild des Gamers im Schneetreiben suggeriert, dass es dank 5G bald möglich sein wird VR Games live übers Mobilnetz zu spielen. Zeitungen titeln, dass die „Fiber to the Home“ Projekte allenfalls doch eine Fehlinvestition waren. Jetzt, da mit 5G bald unbeschränkte Bandbreiten immer und überall verfügbar sein werden.

5G Werbung der Swisscom

Was mich als Elektroingenieur vor allem interessiert, sind die technischen Daten. Konkret, wie schnell kann ein 5G Netz in Realität Daten zu meinem Handy liefern. Darüber ist in den Ankündigungen der Telcos erstaunlich wenig Konkretes zu finden. Von 1 bis 10 GigaBit pro Sekunde ist da die Rede, aber keine klaren Zahlen unter welchen Umständen mit diesen Geschwindigkeiten gerechnet werden kann.

Was heisst das nun konkret im Fall von 5G und der BAKOM Versteigerung. Die Swisscom hat sich Folgendes ersteigert:

  • 30 MHz im 700 MHz Band
  • 120 MHz im 3.5 GHz Band

Früher konnte man beim Radio die Frequenz einstellen auf der ein Radiosender zu empfangen ist. Radio 24–102.8 MHz, DRS3–101.5 MHz. Jeder Sender hatte eine eigene Frequenz. Auf Grund der Versteigerung darf die Swisscom nun also die Frequenzen von 700 bis 730 MHz und die Frequenzen von 3.5 GHz bis 3.62 GHz für ihr 5G Netz benutzen. In Wirklichkeit werden es nicht exakt diese Frequenzen sein, aber so ungefähr.

Aus diesen Zahlen lässt sich schon erstaunlich viel ableiten.

Zuerst die wichtigste Frage: “Wie schnell ist das 5G Netz das die Swisscom mit den ersteigerten Frequenzen bauen kann?” Um diese Frage zu beantworten muss ich etwas ausholen.

Claude E. Shannon hat sich vor mehr als 50 Jahren mit der Frage beschäftigt wie viel Information man über einen Kommunikationskanal im besten Fall übertragen kann. Dabei spielt die Breite und die Qualität des Kommunikationskanals die zentrale Rolle. Shannon hat sich dabei vor allem damit auseinandergesetzt wie hoch die theoretisch maximale Übertragungsgeschwindigkeit ist. In Realität ist die Geschwindigkeit dann immer etwas kleiner. Die real erreichbare Geschwindigkeit hängt von der zur Verfügung stehenden Bandbreite (30 MHz respektive 120 MHz) ab und der Fähigkeit der jeweiligen Technologie mit Störungen umzugehen. Bei 5G wurde vor allem die Resistenz gegen Störungen um das 2 bis 3-fache verbessert gegenüber der aktuellen 4G LTE Technologie.

Aber eben, konkrete Zahlen sind gar nicht einfach zu finden. Das Zauberwort heisst “Spectral Efficiency”. Damit wird beschrieben wie sich die Bandbreite in Geschwindigkeit umrechnen lässt. Schliesslich bin ich auf ein Whitepaper von Nokia gestossen — “5G Deployment below 6 GHz” — auf Seite 8 steht da:

A spectral efficiency of 10 bps/Hz/cell assumes the use of massive MIMO beamforming and four antenna devices.

Gehen wir also mal davon aus, dass die Swisscom bei ihrem 5G System eine spektrale Effizienz von 10 erreicht.

  • 10 * 30 Mhz = 300 Mbit/s für eine Zelle im 700 MHz Band
  • 10 * 120 MHz = 1.2 GBit/s für eine Zelle im 3.5 GHz Band

Beides sind respektable Bandbreiten, aber es ist halt eben die total pro Zelle zur Verfügung stehende Bandbreite die zählt. Die Swisscom wird kaum für jede Nutzerin einen eigenen Sender aufstellen. Dies bedeutet dass die Bandbreiten geteilt werden müssen mit den andern Nutzern der jeweiligen Zelle.

Eine Zelle im Mobilfunk ist der Bereich, der von einem Sender abgedeckt wird. Moderne Sender arbeiten mit Beamforming und können die Sendeleistung sogar zu einem gewissen Mass auf ein einzelnes Handy ausrichten.

Die zweite interessante Frage: “Warum wurden bei der Versteigerung Bandbreite in ganz unterschiedlichen Frequenzbereichen angeboten?”

Der Grund ist, dass sich die ersteigerten Frequenzen im 700 MHz Bereich und im 3.5 GHz Bereich für unterschiedliche Anwendungen eignen.

Das 700 MHz Band ist cool, weil es eine grosse Reichweite hat und auch im Innern von Gebäuden gut empfangen werden kann. Nur ist die Bandbreite mit 300 MBit/s pro Zelle derart beschränkt, dass die Frequenz primär für das Internet der Dinge (IoT) angepriesen wird. Also zum Beispiel für vernetzte Backöfen und den Kühlschrank der in Zukunft selber im Internet einkaufen geht.

Im 3.5 GHz Band sind dann schon 1.2 GBit/s pro Zelle verfügbar. Nur werden Mauern bei dieser Frequenz zu einem massiven Hindernis für die Ausbreitung der Signale. Das heisst der Empfang im Innern von Gebäuden ist schlecht. Im Freien wird jedoch eine gute Geschwindigkeit realisiert werden können, sofern viele kleine Zellen genutzt werden. Aber viele Zellen zu bauen ist teuer und jeder Sender braucht einen Glasanschluss. Im Gegensatz zum 25 GHz Band (siehe unten) ist es bei 3.5 GHz technisch auch problemlos möglich mit vergleichsweise grossen Zellen zu arbeiten. Es wird also davon abhängen, wie viele Geld die Swisscom in zusätzliche Sender investiert, und damit in kleinere Zellen womit die Bandbreite mit weniger anderen Personen geteilt werden muss.

Aber wie ist das denn mit der sagenhaften Geschwindigkeit von der alle sprechen? Es wird ja auch immer wieder erwähnt, dass 5G eine ernsthafte Konkurrenz zu Glasfaserverbindungen in die Wohnung darstellen würde. Wie oben gezeigt, ist zwar bei 3.5 GHz eine 1.2 Gbit/s Verbindung denkbar, aber genau eine pro Zelle. Das ist allenfalls gut für eine Vorführung, aber nicht um mehrere Wohnungen und Gebäude zuverlässig mit einer schnellen Datenverbindung auszurüsten.

Und überhaupt, was ist schon 1.2 GBit/s, bietet Salt doch heute schon 10 GBit/s über Glas an.

Im Zusammenhang mit 5G wird auch oft von noch viel grösseren Geschwindigkeiten gesprochen. Von 10 oder gar 20 GBit/s. Diese hohen Geschwindigkeiten brauchen entsprechend viel Bandbreite. Bei 700 MHz und 3.5 GHz sind schlicht nicht genug Frequenzbänder verfügbar um dies zu realisieren. In ganz hohen Frequenzbereichen um 25 GHz wäre genug Bandbreite verfügbar um diese fantastischen Geschwindigkeiten zu erreichen und sogar viele Geräte parallel zu versorgen. Deshalb ist die 5G Technologie auch für diese sogenannten Millimeter Wellen Bereiche (MMW) vorbereitet.

Die MMW Funksignale verhalten sich ähnlich wie Licht. Sobald es irgendwelche Hindernisse zwischen der 5G Antenne und dem 5G Handy gibt, ist fertig lustig. Hindernisse wie zum Beispiel Gebäude, Wände, Bäume, Blätter, Regen, Schnee und Lebewesen schirmen die Funksignale ab. Die Energie des Funksignals wird dabei in Wärme umgewandelt. Immerhin muss niemand Angst haben, dass er von solchen Strahlen gekocht wird, dafür sind die Energien zu klein. Da die Frequenzen derart hoch sind kann die Strahlung auch nicht in den Körper eindringen wie bei der Mikrowelle. Die Mikrowelle arbeitet mit einer viel tieferen Frequenz von lediglich 2.4 GHz damit nicht alle Energie schon an der Oberfläche der Lebensmittel absorbiert wird, sondern in sie eindringen kann.

Der Grund warum auch in durchaus wissenschaftlich arbeitenden Kreisen Bedenken im Zusammenhang mit MMW geäussert werden, hat damit zu tun, dass die Wellen im Millimeterbereich auch interessante Wirkungen auf Bakterien zu haben scheinen. Da wird einerseits von neuen Möglichkeiten im medizinischen Bereich, Hygiene und Lebensmittelkonservierung gesprochen, andererseits aber auch von möglichen Antibiotikaresistenzen die durch Bestrahlung mit Millimeterwellen gefördert werden können. Dinge die super spannend sind, aber wohl besser in einem Labor erforscht werden als draussen rund um den 25 GHz Sender an der nächsten Strassenecke. Ob diese Bedenken eine Rolle gespielt haben, dass in der BAKOM Versteigerung keine Bandbreiten im Millimeter Wellen Bereich angeboten wurden, weiss ich nicht.

Aber lassen wir die gesundheitlichen Bedenken mal ausser Acht. Ein 25 GHz 5G Netzwerk wäre zwar super schnell, die Investitionskosten jedoch wären astronomisch. Neben der Glasfaservernetzung zu allen 5G Sendern braucht es vor allem eine beachtliche Menge von 5G Sendern um zwischen den Gebäuden eine gute Abdeckung zu erreichen. Ein einzelner Sender im 25 GHz Band hat eine Reichweite von lediglich 200 Metern. Da schon ein Baum das 25 GHz Signal erfolgreich abblocken kann werden die Signale lediglich im Freien zu empfangen sein. Ausser es befindet sich ein entsprechender Sender im Gebäude. Auf diese Art und Weise kann 5G zu einem Ersatz von normalem WiFi werden.

Ich vermute bei der aktuellen Versteigerung ging es vor allem um “Judihui wir haben 5G”-Marketing und nicht um eine kundenfreundliche, flächendeckende Versorgung.

Dass FTTH durch 5G überflüssig wird ist eine Behauptung, die im Lichte der Fakten nicht haltbar ist. Auch im besten Fall können mit 5G nicht annähernd die Kapazitäten bereitgestellt werden die mit FTTH möglich sind.

Trotz allem, die technischen Möglichkeiten von 5G — abseits des Hypes — sind faszinierend und ich freue mich schon heute darauf diese in Zukunft zu nutzen für Anwendungen mit minimaler Latenz, guter Geschwindigkeit und hoher Übertragungssicherheit.

ps. Neben Swisscom haben sich auch Salt und Sunrise Frequenzbereiche ersteigert, einfach etwas kleinere. Somit sind die maximal erreichbaren Geschwindigkeiten dann auch etwas kleiner.

Photo by Matt Reiter on Unsplash

--

--